Wie Burhan Öçal Klänge und Kulturen vereint

Kinder sind unsere Zukunft

Burhan Öçal ist Perkussionist, Sänger, Komponist, Produzent, Schauspieler und Erzähler. Er spielt in verschiedenen musikalischen Ensembles und gibt mit ihnen Konzerte auf der ganzen Welt. In seiner Musik vereint er Einflüsse aus verschiedenen musikalischen Epochen, Stilen und Kulturen. Dabei ist ihm der verbindende Aspekt, den Musik einnehmen kann, besonders wichtig. Im Februar wird er als Erzähler auf Türkisch zusammen mit dem Musikkollegium Winterthur das Musikmärchen «Peter und der Wolf» von Sergej Prokofieff auf die Bühne bringen.
Ein Porträt von Lisa Schön

Burhan Öçal ist in der Türkei geboren und aufgewachsen, heute lebt er in Istanbul und Zürich. Er kennt sowohl die Schweiz als auch die Türkei und die unterschiedlichen Leben, die die Menschen in den beiden Ländern führen. Das macht ihn zur idealen Besetzung für das Projekt des Musikkollegium Winterthur, das bis zum Jahr 2029 für das 400-jährige Jubiläum Prokoffiefs «Peter und der Wolf» in 29 Sprachen veröffentlichen will. Bereits erschienen ist das Stück auf Berndeutsch, Französisch, Albanisch, Portugiesisch, Italienisch, Serbisch-Kroatisch-Bosnisch und Rätoromanisch, bald folgen Spanisch, Arabisch, Ungarisch und Japanisch. Öçal hat das Stück bereits auf Türkisch im Studio eingesprochen. Am 1. Februar 2025 wird er das Märchen als Erzähler im Konzert präsentieren.

Vom Erzählen zum Erleben
Seine Leidenschaft für das Erzählen von Geschichten führt Öçal auf die eigene Kindheit zurück. «Ich erinnere mich noch gut, wie meine Eltern mir Geschichten erzählt haben, mal ganz theatralisch, mal leise geflüstert. Ich liebe selbst Märchen wie die orientalischen Erzählungen aus 1001 Nacht. Beim Geschichtenerzählen ist die Schauspielausbildung besonders hilfreich. Ich habe ‹Peter und der Wolf› auf Türkisch – ‹Peter ve Kurt› – im Studio eingesprochen; das ist etwas anderes, als wenn ich das live mache. Wenn ich vor dem Publikum stehe, werde ich mehr Körpersprache einsetzen, damit die Kinder das Stück noch besser verstehen. Ich muss selbst Kind sein. Nur so wird das Erzählte zugänglich. » Seine Begeisterung für das künstlerische Schaffen ist unübersehbar: «Ich liebe das Schauspiel,  ich liebe Kameras, ich liebe die Bühne, ich liebe meine Instrumente.» Für ihn ist das Erzählen nicht nur eine Form der Unterhaltung, sondern eine Möglichkeit zur emotionalen Verbindung mit seinem Publikum.

Kulturelle Teilhabe als Bildungschance
«Peter und der Wolf» ist nicht das erste Projekt für Kinder, bei dem Burhan Öçal beim Musikkollegium Winterthur mitwirkt. Als Perkussionist spielte er im Stück «Jin und die Magische Melone – Eine musikalische Reise entlang der Seidenstrasse » Darbuka, eine Kelchtrommel (Text von Howard Griffiths, Musik von Fabian Künzli). Bei «Peter und der Wolf» steht für ihn die kulturelle Teilhabe im Mittelpunkt. «Leider ist ‹Peter ve Kurt› und die Musik von Prokofieff in der Türkei kaum bekannt. Deswegen ist es besonders wichtig, das Märchen auf Türkisch zu vertonen.» Auch ausserhalb der Türkei sieht Öçal eine dringende Notwendigkeit für Projekte wie dieses: «Seitdem ich selbst ein Kind habe, bin ich sensibler gegenüber den Dingen, die sie hören und sehen.» Er denkt dabei an die unterschiedlichen Lebensrealitäten der Kinder und deren Familien. «Es ist wichtig, sich über den Bildungshintergrund der Kinder Gedanken zu machen. Ich will das geschriebene Wort so erzählen, dass es alle verstehen. Kinder sind unsere Zukunft. Wir müssen auf sie achten und sie fördern. Sie sind das schönste Geschenk.» Die Musik von Prokofieff spielt für ihn dabei eine zentrale Rolle: «Prokofieff hat ‹Peter und der Wolf› in einer Woche komponiert. Die Musik entspricht dem Märchen; sie ist leicht zugänglich, den Text verstehen Kinder sofort.» Gleichzeitig ist für ihn die Qualität der Musik zentral: «Ohne Musik ist das Märchen schon toll, aber mit der Musik wird es wunderbar. Es ist ein Stück von höchstem Niveau. Mein Slogan ist: Es muss anspruchsvoll sein.»

Musik als verbindendes Element
Für Öçal ist Musik ein Element, das verschiedene Kulturen miteinander verbinden kann. «In der orientalischen Musik arbeiten wir mit Vierteltönen, in der europäischen mit Ganz- und Halbtönen. Dennoch können wir die Stile miteinander verbinden. Der Unterschied ist nur auf tonaler Ebene.» Er verweist dabei auch auf den Einfluss anderer Kulturen auf Prokofieff: «Als Prokofieff in Amerika lebte, war er beeindruckt von schwarzen amerikanischen Jazzmusikern. Der Einfluss des Jazz ist in seinen eigenen Kompositionen zu hören. Ich habe auch selbst viel mit Jazzmusikern gespielt und tue das immer noch.» Er betont die Notwendigkeit einer vielfältigen musikalischen Erziehung: «Wenn türkische Kinder nur mit westlicher Musik aufwachsen, ist das sehr einseitig. Ich möchte mehr Kulturen in meiner Musik abbilden und so auch Kindern den Zugang dazu schaffen.» Umgekehrt ist es für ihn ebenso wichtig, dass sich Menschen aus Europa für die Kultur der Türkei interessieren: «Menschen aus Europa sollten nicht nur türkisches Essen oder die schönen Strände der Türkei kennen, sondern auch türkische Musik, türkisches Theater – die türkische Kultur. Mir ist es wichtig, in meiner Musik Kulturen zu vereinen, um auch die Menschen, die zu den Kulturen gehören, zusammenzubringen. » Öçal sieht das Projekt zu «Peter und der Wolf» im Kontext einer grösseren gesellschaftlichen Verantwortung: «Die Welt ist mit vielen Konflikten konfrontiert: Klimakrise, soziale Medien, Hektik, Stress.» Er glaubt daran, dass Geschichten und Musik eine Zuflucht sein können: «Meine Tochter ist erst fünf Jahre alt. Das Erzählen von Geschichten bringt sie weg von Lärm, Konsum und Umweltverschmutzung. Eine Geschichte noch in Verbindung mit der Musik von Prokofieff erzählen zu können, ist einzigartig. Durch das Märchen werden Kinder auf ein musikalisches Abenteuer mitgenommen.»