Neues Licht auf Mozarts 39. Sinfonie
Wenn ich nach dem Prozess gefragt werde, der erforderlich ist, um ein Konzert aufzuführen, wähle ich gewöhnlich die Metapher des Eisbergs: Während jeder seine Spitze sehen kann, kennen nur die Musiker das volle Ausmass und die Tiefe des eigentlichen Eisbergs, da der grösste Teil seines Körpers unter Wasser liegt. Auf die gleiche Weise kann eine Sinfonie, die etwa 30 Minuten dauert, Monate – sogar Jahre! – der gründlichen Vorbereitung in Anspruch nehmen. Als Dirigent verbringe ich unzählige Stunden damit, mich über das vor mir liegende Werk zu informieren, seinen Kontext zu erforschen, seine musikalische DNA zu entschlüsseln und schliesslich seine Verbindungen zu unseren menschlichen Gefühlen und unserem Intellekt zu finden.
Auch wenn man Musik nicht vollständig verstehen muss, um sie geniessen zu können, bin ich davon überzeugt, dass einige grosse Werke es verdienen, eingehend analysiert zu werden. Es ist doch faszinierend, jede einzelne Farbschicht zu entdecken, die jemals auf Da Vincis «Mona Lisa» gemalt wurde, oder die Proportionen wahrzunehmen, die den verblüffenden Naturalismus von Berninis Skulpturen ausmachen. Und ebenso spannend und informativ ist es, die Geheimnisse hinter musikalischen Meisterwerken zu entschlüsseln.
Das Motto unserer Konzertsaison 2022/23 – «Werden» – stammt direkt aus Mozarts glanzvoller 39. Sinfonie. Dieses Werk wird mit Begriffen wie Freimaurerei, Virtuosität, Natur, Geheimnis und Erleuchtung in Verbindung gebracht. Aber warum? Kann die Musik das wirklich ausdrücken, oder assoziieren wir nur zufällige romantische Bedeutungen damit? Wie können wir ein Manuskript – Tinte auf Pergament, schnell geschrieben bei Kerzenlicht im Jahr 1788 – interpretieren? Ich lade Sie herzlich zu einem etwas anderen Konzert ein, welches zum Ziel hat, mittels Musikbeispielen verborgene Aspekte dieses faszinierenden Werks zu enthüllen.
Willkommen zu unserer Reise in Mozarts 39. Sinfonie!
Roberto González-Monjas