NEU VERÖFFENTLICHT: Triptychon-CD «WERDEN»
Triptychon-CD «WERDEN»
Werke von Mozart, Beethoven, Tarrodi
Roberto González-Monjas über Mozarts Sinfonie Nr. 39
«Auch wenn man Musik nicht vollständig verstehen muss, ist es faszinierend, die Geheimnisse hinter musikalischen Meisterwerken zu entschlüsseln.»
Das Thema unserer Saison 22/23, «Werden», ist direkt aus Mozarts grossartiger Symphonie Nr. 39 entnommen. Dieses Werk wird mit Begriffen wie Freimaurerei, Virtuosität, Natur, Geheimnis und Erleuchtung in Verbindung gebracht. Aber warum? Kann Musik diese Ideen wirklich ausdrücken, oder assoziieren wir nur willkürlich romantische Bedeutungen mit ihr? Wie können wir ein Manuskript interpretieren, das 1788 bei Kerzenlicht eilig mit Tinte auf Pergament geschrieben wurde? Wir laden Sie herzlich ein, sich mit den verborgenen Aspekten dieses faszinierenden Werks zu beschäftigen.
Andrea Tarrodi über Fragments of Enlightenment
Eine Auftragskomposition und das zeitgenössische Spiegelwerk zu Mozarts Sinfonie Nr. 39, Uraufführung
Das Werk «Fragments of Enlightenment» habe ich im Auftrag des Musikkollegium Winterthur und seinem Chefdirigenten Roberto González-Monjas komponiert. Es ist von Mozarts Sinfonie Nr. 39 inspiriert, und im gesamten Stück finden sich Zitate und Fragmente aus seiner Sinfonie. Beim Komponieren dachte ich an jemanden, der innerlich kämpft und ständig nach Licht und Gelassenheit strebt, Werte, für welche Mozarts Musik oft steht. Ob er oder sie diese am Ende des Stücks findet, muss der Hörer, die Hörerin entscheiden.
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Drei Konzertsaisons vereint zu einem Triptychon
Inspiriert von Wolfgang Amadeus Mozarts aussergewöhnlichen, faszinierenden letzten drei Sinfonien haben wir drei aufeinanderfolgende Konzertsaisons ab Herbst 2022 zu einem Triptychon gestaltet. Herzstück der drei dazu erscheinenden CD-Einspielungen bildet Mozarts jeweilige Sinfonie: Sinfonie Nr. 39 «WERDEN», Sinfonie Nr. 40 «SEIN» und Sinfonie Nr. 41 «VERGEHEN». Jeder werden ein zeitgenössisches Spiegelwerk und thematisch ergänzende Kompositionen zur Seite gestellt. Die Brücke zur Bildenden Kunst wird mit Gemälden und Fotografien aus drei unterschiedlichen Winterthurer Institutionen geschlagen.
Roberto González-Monjas im Gespräch mit Felix Michel
In unbegreiflich kurzer Zeit – in zwei Sommermonaten des Jahres 1788 – hat Wolfgang Amadeus Mozart seine letzten drei Sinfonien Nr. 39, Nr. 40 und Nr. 41 komponiert. Roberto González-Monjas, der Winterthurer Chefdirigent, bewundert die Verschiedenheit der drei Sinfonien, ihre formale und expressive Vielfalt. Eine Einheit bildeten die Sinfonien für ihn nicht zuletzt deshalb, weil erst alle drei zusammen Mozarts Botschaft vermittelten: «Sie zeigen den Menschen als Vernunftwesen, das – Stichwort Aufklärung – in Mozarts Zeit nach Wahrheit, Gerechtigkeit, Gleichheit strebt. Sie zeigen den Menschen aber auch als leidenschaftliches, allen Emotionen ausgesetztes Subjekt. Und schliesslich schimmert in ihnen durch, was jenseits von Vernunft und Gefühl liegt – das Göttliche.»
«Werden» – Sinfonie Es-Dur KV 543
In der Es-Dur-Sinfonie erkennt González-Monjas die Aufklärungszeit besonders deutlich wieder. Aus dem zukunftsorientierten Streben der Epoche leitet sich das Thema der ersten Triptychon-CD ab: «Werden». Da ist zunächst die Einleitung, «grandios und in fast zeitlosem Stil», so González-Monjas. «Sie spannt die Leinwand auf für die folgende Sinfonie, ja für die ganze Trias.» Was folgt, passe zum optimistischen Geist von Mozarts Zeit. «Wenig Orchestermusik von Mozart ist so virtuos, brillant, hochgestimmt wie diese.» Mozart zeige aber auch die dialektische Kehrseite des aufklärerischen Strebens nach Weisheit und menschlicher Vervollkommnung: «Zugleich lotet er das Unfassbare, Irrationale aus, mit einigen der merkwürdigsten, ja verstörendsten Texturen, die er je geschrieben hat.» Da ist bestimmt an die heftigen Ausbrüche im Andante-Satz zu denken. Als bewusst neuartig, ja «fortschrittlich» komponierte Passagen sind sie Zeugnis von Mozarts rationalem Tun. In ihrer Wirkung aber schlägt die Musik um ins Überwältigende Furchteinflössende. Lange vor dem 20. Jahrhundert lässt uns Mozart hier erfahren, wie in allem ein unkontrollierbarer Rest an Irrationalem liegt.
Freimaurermusik
Bei allem Optimismus die idealen Ziele nicht zu früh erreicht zu glauben – in dieser Haltung spiegelt sich Mozarts Freimaurerei wider. 1784 trat er in Wien in die Loge «Zur Wohltätigkeit» ein und blieb selbst dann ein aktiver Logenbruder, als die Freimaurerei nach einer kurzen liberalen Periode politisch wieder unter Druck geriet. Zu seinen Beweggründen zählte bestimmt, dass innerhalb der Logen die Standeschranken fielen. Der freie Austausch mit klugen Köpfen, das Ideal einer besseren, menschlicheren Zukunft, diese Dinge sprachen Mozart ganz offensichtlich stark an. González-Monjas verweist auf die vielen musikalischen Spuren, die Mozarts maurerische Tätigkeit zurückgelassen hat. Eine solche Spur ist die Vorliebe für die Zahl Drei, die in den Symbolen und Ritualen der Freimaurer zentral ist. Sie findet sich in der Es-Dur-Sinfonie überall: Die Tonart hat drei Vorzeichen, das Allegro steht im Dreivierteltakt, und viele Motive weisen einen Dreier-Rhythmus auf, mit der Betonung auf dem dritten Schlag. «Anapäst» nennt das die Verslehre, und genau diesen Rhythmus schlagen die Freimaurer offenbar zum Beginn ihrer Rituale. Zu den musikalischen Chiffren, wie sie typischerweise in Freimaurer-Musiken verwendet werden, zählen auch Motive, die gleichsam kreisförmig einen Ton umspielen. Sie symbolisieren die Glieder in der «Bruderkette» der idealen Menschheit. Im Andante der Es-Dur-Sinfonie spielen die Fagotte und Klarinetten – übrigens bevorzugte Instrumente in vielen Maurer-Musiken – ein solches Motiv. Und Mozart flicht es als Fugato durch alle Stimmen. Das ist kompositorisch und symbolisch (als «Kette»!) gleichermassen kunstvoll.
«Sein» und «Vergehen»
Nicht Reflexion, sondern das, was im 18. Jahrhundert «Leidenschaften» hiess, prägt die g-Moll-Sinfonie. Die Musik – und wir mit ihr – steckt vom seufzenden Beginn an mitten im Strudel. «Sein» ist hier Synonym dafür, auch Negatives aushalten und überwinden zu können, so González-Monjas. Wie in den Opern, sagt er, beleuchte Mozart das Thema «Menschlichkeit» als Drama voller Leiden und Erlösung. Und dramatisch sind auch die musikalischen Mittel: Dissonanzen und chromatische Tonschritte, mit denen die Sinfonie gleich beginnt; Molltonarten, Helldunkel-Effekte, schroffe Kontraste. Ganz anders schliesslich die sogenannte «Jupiter»-Sinfonie in C-Dur. Dieser Schlusspunkt, dem die dritte Triptychon-CD unter dem Thema «Vergehen» gewidmet ist, wählt Gott zum Bezugspunkt, ist González-Monjas überzeugt. Spätestens im Finale, wenn Mozart Motive und Techniken aus der Kirchenmusik aufgreift und gleichzeitig die kunstvollste und prächtigste Musik schreibt, die es bis dahin gegeben hat – spätestens dann blinzeln wir vielleicht kurz ins Ewige.
Felix Michel