Ich würde gerne mit Mozart feiern gehen
Zur Saisoneröffnung, die unter dem Thema «Sein» stehen wird, kommentiert die mexikanische Komponistin und Sängerin Diana Syrse Mozarts 40. Sinfonie gemeinsam mit dem Musikkollegium Winterthur. Marie Walkowiak hat mit ihr über ihren persönlichen Bezug zum Werk, mexikanische Einflüsse auf ihre Komposition und Zeitreisen gesprochen.
Diana Syrse im Gespräch mit Marie Walkowiak
Hola Diana Syrse, wann haben Sie Mozarts 40. Sinfonie zum ersten Mal gehört?
Mit 16 habe ich sie zum ersten Mal live erlebt. Gleich von Anfang an hat sie auf mich Einfluss genommen. Ich konnte mich an die Melodie erinnern. Lange Zeit hatte ich einen Ohrwurm, war fasziniert von der Orchestrierung. Es ist ein wunderschönes Stück, aber gleichzeitig auch voller Schmerz. Es hat ein bisschen was Melancholisches, wozu ich direkt eine Verbindung hatte.
Warum konnten Sie sich mit dem melancholischen Teil so gut identifizieren?
Ich mag es, Melancholie durch Klang zu verarbeiten. Bei Mozart hatte ich genau das gleiche Gefühl.
Welche Grundidee steht hinter Ihrer Komposition?
Das Stück ist inspiriert vom Konzept der Transformation. Schmerz, Melancholie und eine innere Kraft, die dahinter steckt. Ich stelle diese Kraft mit Musik dar. Für mich ist das Konzept der Transformation ein universelles Konzept, das ständig Zyklen öffnet und schliesst. Der Mensch ist von seiner Erschaffung bis hin zu seinem Tod – der letztendlich auch nur die Verstreuung unserer Fragmente im Universum ist – in ständiger Bewegung. Die Musik ist dabei als eine Allegorie auf Leben und Tod zu verstehen. Als Kreislauf zwischen Nichts und Schöpfung, der auch nach seinem Verschwinden in unserer Erinnerung weiterlebt.
Im Rahmen des Tryptichons gibt das Musikkollegium Winterthur jungen Komponist:innen die Chance, Mozarts Sinfonien zu kommentieren. Was war für Sie wichtig, als Sie das Werk komponierten?
Die Verbindung, die ich mit seinem Werk und auch mit Mozart als Person habe. Sein Werk ist sehr persönlich, es ist mit seinem Leben verbunden. Also dachte ich: Ich komme aus Mexiko. Ich hörte sein Werk, als ich ein Kind war und war davon inspiriert. Was würde Mozart heute tun oder denken oder wie würde er reagieren? Vielleicht wäre er ja sogar in Mexiko geboren worden. (lacht) Was hätte er komponieren können? Ich meine, ich schreibe immer noch mit der Hand, aber es gibt den Computer als Musikinstrument und viele weitere Möglichkeiten, Musik zu machen. Ich wollte einfach ein Stück schreiben, das ein Kontrapunkt zu seiner 40. Sinfonie bilden könnte. Als Kommentar, als Dialog zwischen Mozart und mir in der Zukunft. Ein Komponist aus der Vergangenheit und eine Komponistin aus der Zukunft.
Sie erwähnen Ihre Herkunft Mexiko – welche mexikanischen Einflüsse hat die Komposition?
Ich höre Silvestre Revueltas sehr gerne. Ausserdem habe ich vor etwa 20 Jahren mit Gabriela Ortiz studiert, sie war meine erste Kompositionslehrerin und ich kenne ihre Musik sehr gut. Ich mag auch Carlos Chávez und Conlon Nancarrow, der in den USA geboren wurde, aber in Mexiko aufgewachsen ist. Er hat eine sehr, sehr interessante Art mit Polyrhythmen zu komponieren. Sehr faszinierend finde ich Julián Carrillo. Er war der Begründer des mikrotonalen Orchesters in Mexiko. Wenn man sich seine Werke anhört, öffnet man die Tür zu einer fantastischen Klangwelt.
Was macht mexikanische Musik für Sie besonders, wenn Sie sie auf drei Stichworte reduzieren müssten?
Das ist schwierig, weil sie sehr vielfältig ist. Was sie vielleicht eint, ist der rhythmische Aspekt, der von den Afrikaner:innen beeinflusst ist, die über Kuba nach Mexiko kamen. Noch wichtiger ist aber die Beziehung zwischen Klang und Bewegung. Die Musik muss man in seinem Körper spüren. Und drittens: Die Harmonien kommen hier eher von der Stimme oder von Blasinstrumenten, wie Okarinas. Die Sichtweise auf die Harmonie ist eine ganz andere als in Europa.
Sie haben inzwischen über 90 Werke komponiert. Woher nehmen Sie die Inspiration für Ihre Musik?
Bei mir kommt die Inspiration aus zwei Quellen. Ich gebe meinen Schüler:innen immer den Tipp, dass man Kreativität durch Dinge lernen
kann, die nichts mit Musik zu haben. Zum Beispiel durch Meditation oder indem man jeden Tag etwas Kreatives tut. Sei es eine Zeichnung oder ein Gedicht oder auch einfach, sich ein Tier vorzustellen, das man noch nie gesehen hat. Ich mache dieses Training jeden Tag und ziehe genau daraus meine Inspiration. Aus dem Zustand der Meditation. Wenn ich an vielen Stücken arbeiten muss, weiß ich, dass mir diese Art zu arbeiten sehr helfen kann, die Stücke rechtzeitig fertig zu schreiben und mich dabei nicht zu wiederholen. Ich habe immer neue Ideen und versuche, mich zu verändern. Und dann inspiriert mich natürlich mein Leben mit all den Gefühlen, die ich als Person erlebe.
Wenn Sie eine Zeitreise machen und eine:n Komponist:in aus der Vergangenheit treffen könnten, wer wäre das dann?
Eine:n Komponist:in von ihnen wäre Mozart. Ich würde gerne mit ihm feiern gehen. (lacht) Er war sehr gut darin. Ich würde ihn gern im Kontext von Gedicht-Soireen treffen, wo jede:r zwischen Künstler:innen und Intellektuellen spielen kann, mit ihm und Freund:innen über Musik oder ihre Zukunft und über seine Arbeit sprechen. Ihn fragen, wie er kreiert. Und dann würde ich gerne noch eine zweite Komponistin treffen: Nadia Boulanger.
Warum Nadia Boulanger?
Sie verstand es als Komponistin, ihren Sinn für
Sensibilität mit Wissen zu verbinden. Ich mag
ihre Art zu komponieren und habe viel von ihr gelernt. Sie ist eine sehr interessante Frau und
ich würde sie gerne kennenlernen.
MI – FR 06.– 08. SEP, 19.30 UHR
SAISONERÖFFNUNG
Roberto González-Monjas Leitung
Jan Lisiecki Klavier
Diana Syrse
Auftragskomposition des Musikkollegium Winterthur, Uraufführung
Wolfgang Amadeus Mozart
Sinfonie Nr. 40 g-Moll, KV 550
sowie Werke von Robert Schumann und
Edvard Grieg